Kohleschipper Kluge kapert WM-Silber!

Glüsinger fehlen mit deutschem U23-Achter in Litauen nur läppische 56 Hundertstel zum Titeltriumph

Glüsingen. Schwarz-Rot-Silber… Nur zu gerne hätten Peter Kluge und Co. ihre Medaille der Nationalfarbe angeglichen. Dem deutschen U23-Achter mit dem Glüsinger als Antriebswelle fehlte allerdings eine Nasenlänge zu Gold. Trotzdem: Vize-Weltmeister liest sich ebenfalls blendend in der Vita!

„Das ist schon klasse und eine sehr gute Leistung. Die Welt ist groß und das ist so schnell immer schwer zu realisieren“, strahlte Kluge am gestrigen Montag nach seiner Heimkehr aus dem litauischen Tracai. Und doch schwang in seiner Rückbetrachtung auch ein Hauch Wehmut mit. Darüber, dass es nicht zum ganz großen Glücksgefühl reichte. „Wir hatten uns schon mehr erhofft, hatten im Vorlauf auch die schnellste Zeit.“

Kohleschipper Kluge kapert WM-Silber!
Dicke Backen! Spätestens auf halber Strecke ruderte der Deutschland-Achter mit dem Glüsinger Peter Kluge (3. v. l.) bei der U23-WM in Litauen am Anschlag. Als Lohn für die Mühen gab es die Silbermedaille. Bildquelle: rudern.de

Im Zieleinlauf fehlten verschwindend geringe 56 Hundertstel auf das triumphierende US-Boot. „Das ist doch extrem dicht dran“, stößt Kluge einen kaum hörbaren Seufzer aus. Was nicht heißt, dass sich der Blondschopf nicht tierisch über WM-Silber freut. Schließlich musste sich der DRV-Achter im Vorjahr mit Blech, sprich Platz vier, zufrieden geben. „Das ist schon eine enorme Steigerung“, betont Kluge.

Zumal die Leistungsdichte in dieser Altersklasse bedeutend höher ist als noch bei seinem WM-Titel 2008 mit dem U19-Achter. „Das ist eine ganze Ecke härter“, bekräftigt der Riemen-Riese mit den wasserblauen Augen.

Vorwerfen konnte sich Kluges Crew ohnehin nichts. Alle neun, also auch der Steuermann, seien absolut an ihr Leistungslimit und darüber hinaus gegangen. Der Finallauf: absolut (nerven)aufreibend. Ob im Boot oder nur am Bildschirm wie Kluges Familie und Freundin, die im Internet eine Livestream-Übertragung aus dem litauischen Fernsehen verfolgten und mitfieberten.

Kluge schildert das Wimpernschlag-Finale so: Untypisch flott kommt das deutsche Parade-Boot aus den Startlöchern, führt das Feld nach 500 Metern an. Auch noch bis zur 1000-Meter-Marke. Das ist so gewollt. Kluge: „Man versucht halt, die Konkurrenten gleich zu deklassieren. Wenn man es schafft, sie zu demotivieren, dann hat man schon gewonnen.“ Doch die US-Boys lassen sich nicht abschütteln. Und legen plötzlich auf halber Höhe den Teilzeit-Turbo ein. „Die Amis haben 20 Schläge richtig ausgepackt“, so der Glüsinger. Plötzlich 1,5 Sekunden Rückstand für den Deutschland-Achter, der zudem durch Seitenwind irritiert wird. „Das hat uns minimal aus dem Konzept gebracht, aber das reicht schon“, meinte Kluge. Zwar rudert sein Team eine Gegenattacke und liegt kurz vor dem Ziel wieder fast gleichauf. Doch es fehlt der klitzekleine Kick.

Zu diesem Zeitpunkt bekommt Kluge selbst um sich herum ohnehin nicht mehr viel mit. „Bei 1000 Meter waren bei mir schon die Lampen aus“, grinst der 22-Jährige. Das sieht auch seine Freundin im Fernsehen. „Sie hätte gedacht, ich kippe gleich aus dem Boot…“ Doch der Wille ist stärker als die Erschöpfung. Zumal Kluge an Position drei eine gewichtige Rolle einnimmt. „Drei und vier sind praktisch der Maschinenraum, die Kohlenschipper-Plätze.“ Nach nicht einmal sechs Minuten steigt der Modellathlet mit wackligen Beinen hochgradig erschöpft, aber dennoch happy aus. „Solch ein Rennen erfordert auch eine hohe Konzentrationsleistung.“

Dennoch geht es nach der Siegerehrung Schlag auf Schlag weiter. Mit einem Bankett der deutschen WM-Starter, später mit Party in einem Club. Dafür reicht der Akku dann doch noch. Schließlich absolvierte Kluge sein letzte große U23-Regatta, rutscht nun altersbedingt in den A-Bereich. Zu den Besten der Besten, den Olympia-Aspiranten. Die WM-Medaille sei insofern „wichtig“ gewesen, um schon einmal eine Duftmarke gesetzt zu haben.

Den Kluge hat einen Traum. Für die Olympischen Spiele 2012 in London ist es zu spät. Doch er würde sich liebend gerne 2016 in Rio de Janeiro für Schwarz-Rot-Gold in die Riemen legen. „Man muss sich Ziele setzen.“ Brasilianisches Copacabana-Feeling ist ohnehin verlockender als englischer Nieselregen…

Von Ingo Barrenscheen

Quelle: Isenhagener Kreisblatt, 17. Juli 2012

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